ICO Summit: 2017 ist von Goldgräber-Stimmung bei Blockchain-Unternehmen geprägt. Selbst solche ohne Geschäftsmodell, Businessplan oder Produkt erhalten über Crowdfunding (ICOs) Millionenbeträge. Sind diese Beträge gerechtfertigt? Existieren diese Unternehmen überhaupt? Sind diese Geldbeschaffungs-Kampagnen überhaupt innerhalb legaler Rahmen? Im Gegensatz zu jeder anderen Kapitalbeschaffungsmaßnahme sind diese ICOs (Initial Coin Offerings) kaum reguliert. Da sie zumeist global orientiert sind, gelten zudem die verschiedensten Rechtsrahmen.
Bei einem ICO verkauft ein Unternehmen eine gewisse Anzahl an Anteilen (auch Coins oder Token genannt) an institutionelle und private Anleger. „Wir sind am Beginn einer Token-orientierten Wirtschaft. Token-Sales (in Form von ICOs) werden viele Geschäftsmodelle über den Haufen werfen,“ erklärte Elfriede Sixt von der in Wien ansässige Fintech-Academy im Rahmen des Wiener ICO Summit. Doch sie schließt sogleich das Problem an: „ICOs sind heute schlimmer als die New Economy vor 20 Jahren. Startups lügen über Nutzerzahlen, ihr Team und ihre Berater. Es gibt keinerlei Transparenz. Wir wissen nicht mal, wie viel Umsatz mit ICOs wirklich gemacht wird.“

Elfriede Sixt von der Fintech Academy beim Summit.
Regulierung bedeutet staatlicher Eingriff, doch wozu braucht es diesen? Tatsächlich gibt es zumindest fünf relevante Ziele, die sich alle in Elfriede Sixts Problemanalyse wiederspiegeln:
- Vertrauen in das Finanzsystem soll gewährleistet werden
- Das Finanzsystem soll stabil sein
- Konsumenten (bei ICOs z.B. private Investoren) sollen geschützt werden
- Finanzbetrug soll minimiert werden
- Teilnahme Landesfremder soll reguliert werden
ICO-Typen
So wird klar, warum nicht jeder, der Finanzierung sucht, sie rechtlich auch bekommen soll. Öffentliche Geldbeschaffung für Kryptowährungs-Projekte ist neu. Sie verfügt über Eigenschaften, die mit bestehenden legalen Regularien nicht oder kaum abzudecken sind.
Grundsätzlich ähneln ICOs dem Crowdfunding, bei dem viele einzelne Investoren auf das Versprechen eines Unternehmens hin Geld geben. Doch im Gegensatz zu Crowdfunding geht es bei ICOs zumeist nicht um ein Produkt, sondern um einen Token. So stellt sich die erste Frage: Was ist ein Token (Coin, Anteil)? Die Antwort lautet: ein Token kann vieles sein:
- eine Kryptowährung: eine digitale Währung ohne zentrale Ausgabestelle. Zum Beispiel Bitcoin.
- ein Utility Token: Vergleichbar mit einem Spielautomaten-Jeton, man kauft sie, um sie für eine Gegenleistung einzutauschen. Beispiel: Ethereum, Lisk, Neo.
- Wertpapiere bzw. Vermögenswerte: auf Englisch tokenized securities genannt. Anteile (mit oder Eigenkapital) an einem Unternehmen.
Unsicherheit in Bezug auf Regulation gibt es, da es keine (international) anerkannte Definition von Token-Sales gibt. Wann ist ein ICO ein Utility Token und wann ein Wertpapier? Welche Regeln gelten, wenn ein Projekt als beides einzustufen ist? Die Vertreterin der österreichischen Finanzmarktaufsicht Clara Abpurg sowie der deutschen BAFIN, Christoph Kreiterlin sind im Rahmen des ICO-Summits der Meinung, dass jeder einzelne ICO gesondert betrachtet werden muss.
„Das Aufsichtsgesetzt definiert die Regeln. Für ICOs gibt es jedoch noch keine Regeln“, erklärt Kreiterlin für den deutschen Markt. „Von den 180 ICOs in Deutschland gab es jedoch keinen einzigen Fall, der nicht in die bestehende Regulation gepasst hätte.“
Realität der ICOs
Das klingt zwar beruhigend, verdeckt jedoch den Blick auf die Realität eines ICOs. Denn diese werden zumeist weltweit angeboten. Da es bei der Finanzierung nicht nur auf den Sitz des Unternehmens, sondern auch der Investoren ankommt, müssen dutzende nationale und supranationele Regelwerke beachtet werden. So gibt es beispielsweise schon zwischen Österreich und Deutschland unterschiedliche Regeln. Ein ICO, der in Österreich nicht als (streng geregeltes) Wertpapier gilt, kann in Deutschland aber danach reguliert werden.
Unsicherheit allerorts. Elfriede Sixt stellt in ihrer Opening Speach beim ICO Summit jedoch eines klar: „Token Sales werden die Art, wie Staaten regulieren, komplett verändern.“ Bis dahin ist also Vorsicht beim Investment in ICOs geboten.
Unsere Konferenzreporterin Francisca Vaessen berichtete.
Also published on Medium.