Finanzielle Inklusion: 2,5 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu bargeldlosem Geldtransfer. Dies betrifft Menschen in ressourcenschwachen Ländern und vor allem Flüchtlinge. Die Bitcoin-Technologie Blockchain verspricht, diese Menschen banktechnisch ins 21. Jahrhundert zu bringen. 

Roya Mahboob ist Afghanistans bekannteste weibliche IT-Unternehmerin. Sie hat eine Organisation namens Digital Citizen Fund gegründet, die afghanischen Frauen digitale Bildung organisiert. 13 IT-Trainingszentren gibt es mittlerweile, knapp 8.000 Frauen haben dort Kurse besucht. Nun hat Roya Mahboob eine geniale Idee, wie Frauen in Afghanistan Geld verdienen können. Ihr Unternehmen Women’s Annex zeigt Frauen, wie sie bloggen lernen und das in einen Verdienst umwandeln können.

Roya hat eine Lösung für finanzielle Inklusion der Afghanischen Frauen, doch sie kommt mit einem Problem: 99% der Frauen in ihren Kursen besitzen kein Bankkonto, das sie mit ihrem Blog verknüpfen können. Zwar dürfen Frauen in Afghanistan Konten besitzen, doch die meisten Menschen vertrauen diesem System nicht. Sie vertrauen der Hawalah, ein Kreis an Menschen in der muslimen Welt, die Geldtransaktionen weltweit durchführen. Man kann einem Mitglied in Baghdad Geld geben und jemand anderer kann in Kabul von einem anderen Mitglied dieses Geld abheben. Und niemand kennt den anderen. Das System funktioniert mit dem Vertrauen in das System. Hawalah ist sozusagen das Bitcoin des 8. Jahrhunderts. Doch Hawalah hilft nicht in der digitalen Welt.

So wie den Frauen in Mahboobs Kursen geht es vielen. Weltweit besitzen 39% der Erwachsenen kein Bankkonto. Die Vorteile sind logisch nachzuvollziehen: Geld am Konto bedeutet mehr Sicherheit als in der Kiste im Haus versteckt. Erzeuger können Verkäufe ohne Bargeld abwickeln. Das trägt nicht zur Sicherheit bei, sondern ermöglicht neue Absatzmärkte wenn Verkäufer und Käufer nicht mehr am selben Ort sein müssen. Ein Bankkonto ist in vielen Ländern auch die Voraussetzung für einen Kredit.

finanzielle inklusion wie viele menschen keinen zugang haben

finanzielle inklusion wie viele menschen keinen zugang haben

Doch wie so oft ist Finanzinklusion ungleich verteilt. Während in den Industriestaaten 94% der Erwachsenen über ein Konto verfügen, so sind es in Sub-Sahara Afrika nur 34% und im mittleren Osten gar nur 14%.

Subsahara-Afrika versucht schon seit geraumer Zeit, mehr Menschen zum Banking zu bringen. 12 der 34% nutzen mobile Bankkonten per Handy. Am meisten benachteiligt beim Besitz von Bankkonten: die Armen, die Jungen, Frauen und die Landbevölkerung.

 

Finanzielle Inklusion – warum ist das so schwer?

Warum ist es eigentlich so schwer, ein Bankkonto zu bekommen, wenn man nicht ein berufstätiger Mensch in den Industrienationen ist? Der Grund ist ein englisches Doppelakronym: KYC/AML. Es steht für „Know Your Customer / Anti Money Laundering“ – also kenne deinen Kunden / Antigeldwäsche. Banken brauchen eine Reihe von Dokumenten und Sicherheit, bis sie ein neues Konto gewähren. Es dauert 30-50 Tage, bis eine Bank diesen Prozess abgeschlossen hat. KYC/AML-Checks kosten jede Bank im Durchschnitt 40 Millionen Euro pro Jahr. Es ist so teuer, dass dieser Prozess sogar einen eigenen Namen hat: Onboarding. In Regionen mit geringer Bankendichte kann dies schon ein schwieriges Unterfangen sein. In die Stadt fahren und Dokumente organisieren, dann zur Bank um die Dokumente abzugeben und nochmal hin, um das Konto zu eröffnen. Wenn es dann um eine Versicherung geht, muss das ganze Spiel wiederholt werden.

Blockchain kann hier helfen. Finanzinstitute und Versicherungen können die Kundenidentität und Bonität in der Blockchain speichern. Dort steht dann drin, dass Mini Musterfrau ihre Identität, ihren Wohnsitz, ihren Leumund und ihre Bonität nachgewiesen hat und daher als Kundin für gut befunden wurde.

Die Versicherung kann darauf zugreifen und den Daten vertrauen, da die Blockchain nicht korrumpierbar ist. Das funktioniert auch, wenn Mini Musterfrau den Wohnort oder die Bank wechselt, einen Kredit beantragt oder ein Mietauto braucht.  So braucht die Finanzwelt einen Kunden nur einmal erstmalig verarbeiten.

Blockchain kann also das Onboarding vereinfachen und für finanzielle Inklusion sorgen. Um Datenschutz zu gewährleisten, würde dieser Dienst nicht auf einer öffentlichen Blockchain laufen. Es wäre ein System, das beispielsweise von SWIFT – der Organisation, die für die Kommunikation bei internationalen Banktransfers sorgt – oder von einer neuen Blockchain-Konkurrenz geführt würde. Damit verliert diese Blockchain ein wesentliches Merkmal – die Transparenz gegenüber den Kunden. Es bleibt zumindest die günstigere Abwicklung von Bankdienstleistungen.  

Blockchain für Bank-Onboarding

Blockchain für Bank-Onboarding

Finanzielle Inklusion: Blockchain für Bank-Onboarding

Auch bei vereinfachtem Onboarding bleiben viele Menschen außen vor. Sie haben dennoch einen Vorteil, wenn sie Güter aus entfernten Region bestellen können oder Geld an Verwandte schicken können. Diese Menschen haben vielleicht kein Bankkonto, aber ein Mobiltelefon. 2020 soll es 9,2 Milliarden Verträge geben. Mehr als einer pro Person. Banktransfers sind vor allem teuer, weil die Technik hinter einer Überweisung alt, langsam, aufwändig und wartungsintensiv ist. Überweisungsdienste hingegen brauchen ein riesiges Fillialnetz. Western Union betreibt 550.000 Filialen in 200 Länder und schlägt damit McDonalds um das 15fache. Dementsprechend kostet eine Überweisung mit Western Union bis zu 10% der Transfersumme. Je weiter weg von den Industriezentren, desto teurer der Geldtransfer.

Blockchain kann die Dienstleistung des Überweisens für einen Bruchteil der Kosten abwickeln. Ressourcenschwache Länder können damit ganze Technologiestufen überspringen. Das Festnetztelefon hat sich beispielsweise in Afrika aus logistischen Gründen nie durchgesetzt. Doch dank des Technologiesprungs Mobilfunk haben afrikanische Haushalte heute Internet, die noch nicht mal am Stromnetz angeschlossen sind.

Auch Papua Neuguinea ist ein Land, dass diesen Sprung vollführen möchte. Die Nationalbank hat ein Blockchain-Pilotprojekt gestartet. Der Chef Loi Bakani hat große Pläne: “Das […] bringt Papua Neuguinea in die erste Reihe in die Diskussionen um Blockchain. Es gibt keinen Grund, warum PNG nicht eine Führungsrolle in Schwellenländern haben kann.”

Die Vize-Leiterin Elizabeth Genia bringt es deutlicher auf den Punkt: “Fast 85 Prozent unserer Bürger leben außerhalb des Banksystems, es werden neue Innovationen sein, die das Leben der Menschen verändern wird.

In Afghanistan entdeckt auch Roya Mahboob Bitcoin und lehrt den Frauen, sich in der Kryptowährung bezahlen zu lassen. In einem Seminar erzählt Mahboob von einer Frau, die von ihrem Mann geschlagen wurde und der ihr alles Geld wegnahm. Nachdem sie – für ihren Mann unerreichbar – Bitcoin als Zahlungsmittel annimmt, kann sie Geld sparen. Als sie genug hat, verkauft sie ihre Coins, geht zu einem Rechtsanwalt und lässt sich von ihrem Mann scheiden.

Blockchain-Währungen sind nicht die das Hawala des 21. Jahrhunderts, sie sind vor allem günstig. Überweisungen mit Blockchain können mit 0,25% Überweisungsgebühr belastet werden. Es gibt aber sogar kostenlose Firmen. Doch die Sache hat einen wesentlichen Haken. Mittels Blockchain werden Transaktionen von z.B. Bitcoin zu Bitcoin durchgeführt. Um Blockchain-Geld in lokale Währung umzutauschen, braucht es eine Wechselstube. Damit sind wir wieder beim Filialenproblem und bei Wechselgebühren.  Dieses Problem gilt es ebenso zu lösen, wie jenes der Bekanntheit und Vertrautheit. Jeder kennt Western Union, aber Bitcoin?

Die Zielgruppe der “unbanked” mit Mobiltelefon hat wahrscheinlich noch gar nichts von den neuen Möglichkeiten erfahren, da gehen Blockchain-Enthusiasten schon einen Schritt weiter. Vor kurzem wurde der Blockstream Satellit in die Erdumlaufbahn geschossen, der Bitcoin-Transaktionen sogar für jene möglichen machen soll, die nicht einmal Zugang zum Netz der Netze haben. Am Tag seines Starts im August 2017 war Blockstream bereits auf zwei Drittel des Globus erreichbar, bis Ende des Jahres soll auch der letzte Winkel erreicht sein.

 

Weitere Artikel zum Thema Real World Anwendungen

 

Links zu Finanzielle Inklusion mit Blockchain

http://m.nasdaq.com/article/central-bank-of-papua-new-guinea-adopts-blockchain-technology-cm836726
http://www.zeit.de/2015/45/western-union-bank-fluechtlinge-migranten
https://blockstream.com/2017/08/15/announcing-blockstream-satellite.html

 


Also published on Medium.

Share.

Leave A Reply