Wir zeigen, wie digitale Identität, Sicherheit und Selbstbestimmtheit im Netz und Blockchain zusammenhängen.
“Ich versteht gar nicht, warum Menschen so heiß darauf sind, Details ihres Privatlebens zu veröffentlichen; sie vergessen, dass Unsichtbarkeit die neue Supermacht ist”, Banksy, berühmter Graffiti-Künstler, dessen Identität unbekannt ist.
„A private life is a happy life“, unbekannter Autor
Das „Ich“, unsere Identität existiert in uns drin, unabhängig davon, wo und wie wir einen Fußabdruck in der Welt hinterlassen. Doch die Außenwelt nimmt uns ausschließlich durch die sichtbaren unserer Fußabdrücke war. Ersetzen wir die Metapher Fußabdrücke durch den terminus technikus Daten. Ein einzelner, irgendwo gespeicherter Fußabdruck nennen wir Datenpunkt (da man im Deutschen den Singular Datum in diesem Zusammenhang nicht verwendet).
Der Mensch beginnt sein Leben mit einem Datenpunkt im Geburtsregister. Nach der Geburt wird die Blutgruppe festgestellt und ein Hand- Fußabdruck gemacht. Dann erhält er einen Namen, eine Geburtsurkunde, eventuell ein Taufzeugnis, einen Impfpass, eine Sozialversicherungsnummer. Knapp nachdem unser Mensch in ein Register der Schulbehörde eingetragen wird, werden Noten und Zeugnisse gespeichert. Bis hierhin sind es Behörden, die unsere Daten erzeugen, speichern und besitzen. Früher erhielt man als nächsten Schritt die Steuernummer, Firmen-ID, Pensionsversicherungsdaten, Krankenakten, Telefonnummer, Bankkontodaten und Kreditkarten.
Digitale Identität ab der Pubertät
Doch heute hat unser Heranwachsender noch bevor er rechtlich mündig wird, schon einen Facebook / Snapchat / Twitter / Instagram / Google-Account und produziert jede Menge Daten durch Likes, Statusupdates, Bewegungsprofile, Fotos, persönliche Verknüpfungen zu anderen Menschen, eine Such- und Surfhistorie, Einkaufsverhalten, Geschmäcker und politische Einstellungen.
Im Frühjahr 2017 fotografiert ein russischer Künstler heimlich Menschen in der U-Bahn, ordnete sie mittels öffentlich verfügbarer Gesichtserkennungs-Software zu eindeutigen Social Media Profilen zu und veröffentlichte dies. Er zeigt damit, dass nicht „Big brother is watching you“ gilt, sondern: „Meine Eitelkeit und Ignoranz bietet mich dir als Überwachungs-Subjekt an, Big Brother“.
Ein neuer Höhepunkt an wahr gewordener Zukunftsmusik: im August 2017 wurde von einer Software berichtet, die aus auf Instagram hochgeladenen Fotos angeblich herauslesen kann, ob die fotografierte Person an Depressionen leidet.
Daten sind Wissen und Wissen ist Macht. Dies gilt besonders im Geschäftsleben. Das Geschäftsmodell aller sozialer Medien, dazu Google, Apple oder von Musikstreaming-Diensten sind Daten, die gesammelt, ausgewertet, aggregiert, zur Steuerung eigener Produkte sowie zu Werbezwecken verkauft werden.
Facebook killt unsere digitale Identität
Auf Facebook gibt es für Werbekunden die Möglichkeit, eine Liste mit E-Mailadressen hochzuladen. Die dazugehörige Werbung wird dann Benutzern gezeigt, die mit dieser Adresse auf Facebook registriert sind. Das ist die genaueste und damit beste Werbeform aller Zeiten. Werbetreibenden können so auf bestehende Kunden perfekt zugeschnittene Werbung ausliefern. Dieser im deutschsprachigem Raum wahrscheinlich aus Datenschutzgründen verbotene Dienst ist Unternehmen viel Geld wert. Facebook geht noch weiter. Auf Wunsch aggregiert der Social (Advertising) Media-Gigant Persönlichkeitsmerkmale und Vorlieben aus der E-Mailliste und zeigt die Werbung anderen Usern, die ähnliche Merkmale haben.
Facebook und alle anderen Plattformen sind wie Magazine, die ihrem Publikum Texte, Bilder und Videos liefern. Doch sie erstellen die Inhalte nicht selbst, die Benutzer tun es. Doch es sind die Unternehmen, die mit diesen Inhalten Geld verdienen. Wer persönliches auf Social Media hochlädt, gibt die Hoheit darüber her. Denn weder können User das Löschen ihrer Daten durchsetzen, noch gibt Facebook Eltern verstorbener Kinder Zugang zu deren Profilen.
Unser gesamtes Leben hindurch produzieren wir (und andere für bzw. über uns) Datenpunkte, die uns nicht gehören und die wir nicht kontrollieren können. Wir überantworten unsere Daten an Dritte, die wir – wenn auch oft unbewusst – für vertrauenswürdig halten. Diese Institutionen, Organisationen und Unternehmen verwalten unsere Daten in einer Black Box, die – metaphorisch gesprochen – genauso dunkel ist, wie jene der Finanzinstitute. Und da im Bankenwesen die Lösung „Blockchain“ lautet, so tut sie das auch bei der digitalen Identität.
Sichere digitale Identität: Schöne neue Welt
Man stelle sich eine digitale Welt vor, wo alle jemals erzeugten persönlichen Daten auf einem digitalen Account gespeichert würden, auf den nur wir selbst die Administrator-Rechte hätten. Ärzte und Labore könnten unsere Befunde dort ablegen und wir können sie dem Krankenhaus zur temporären Ansicht geben. Meine Versicherungsdaten sind dort abgelegt, sodass wir immer sehen könnten, welche Ansprüche wir haben. Mit diesem persönlichen Konto könnten wir in der Apotheke verschriebene Medikamente erhalten ohne die Angst zu haben, dass die Krankenversicherung herausfinden kann, woran wir leiden.
All unsere Social Media Interaktionen wären in diesem Superkonto gespeichert und wenn wir sie löschen, sind sie auch wirklich weg. Wir könnten damit verschiedene Personas erstellen, die verschiedene Menschen sehen könnten. Die privaten Fotos vom Saufgelage nur an die Freunde, Testimonials von ehemaligen Arbeitergebern nur an Business-Kontakten, die Browser-Historie von Pornowebsite-Besuchen nur für mich. Wir hätten die Kontrolle über unsere digitalen Fußabdrücke. Eine schöne Utopie, oder?
Technisch ist diese Lösung dank Blockchain schon Realität. Wir haben gelernt, dass Blockchain den vertrauenswürdigen Dritten durch das Netzwerk (und hier vor allem durch den public ledger) ersetzt. Nutzer trauen keinem einzelnen, sondern dem gesamten Netz. Bitcoin tut nichts weiteres, als eine Zahl von einem Konto zu einem nächsten zu Verschieben.
Ein anderer Blockchain-Dienst kann stattdessen komplexere Daten speichern und gewissen Personen und Personengruppen verschiedene Rechte zuordnen. Z.B.: dieses Bild dürfen meine Freundinnen sehen, aber nicht mein Mann oder: das Labor darf Befunde zu meinem Account hinzufügen.
Damit würde die Macht von den Unternehmen zu den Benutzern wechseln. Facebook müsste uns davon überzeugen, ihnen Zugriff auf unsere Daten zu gewähren. Wir könnten selbst entscheiden, ob ein Unternehmen mit unserem Leben Geld verdienen darf und ob wir vielleicht einen Stück vom Kuchen abgekommen könnten.
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